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Ex-Militärarzt über Einsatz in Afghanistan: „Der Westen hat viel Unheil angerichtet“

2024-01-17T17:09:31.017Z

Highlights: Ex-Militärarzt über Einsatz in Afghanistan: ‘Der Westen hat viel Unheil angerichtet’. Stand: 17.01.2024, 18:00 UhrVon: Bettina StuhlweißenburgPublisher: “Kinderhilfe Afghanistan’, die Schulen und Krankenstationen im Osten Afghanistans baut and betreibt. “Quo vadis Afghanistan?’ by Dr. Reinhard Erös (75) ist ein Konzept von ‘KinderHilfeAfghanistan’.



Stand: 17.01.2024, 18:00 Uhr

Von: Bettina Stuhlweißenburg

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In Afghanistan hat der ehemalige Militärarzt Reinhard Erös (r.) Schulen aufgebaut, in denen afghanische Mädchen wie dieses bis zur 7. Klasse unterrichtet werden. © privat

Der bekannte Ex-Militärarzt, Politikwissenschaftler und Entwicklungshelfer Reinhard Erös referiert in Miesbach über die Lage Afghanistans nach dem Abzug der westlichen Truppen.

Miesbach – Unter dem Titel „Quo vadis Afghanistan?“ referiert der Ex-Militärarzt und Politikwissenschaftler Dr. Reinhard Erös (75) am Freitag, 19. Januar, in Miesbach über die Lage Afghanistans nach dem Abzug der westlichen Truppen. Der Regensburger gründete mit seiner Frau Anette die „Kinderhilfe Afghanistan“, die Schulen und Krankenstationen im Osten Afghanistans baut und betreibt. Er gilt als Kenner des Landes, spricht Paschtu und bildete unter anderem deutsche Polizisten für ihren Afghanistan-Einsatz aus. Der mit dem Bundesverdienstkreuz geehrte Vater von sechs Kindern mahnt, Afghanistan nicht zu vergessen.

Herr Dr. Erös, Sie leisten seit den 80er-Jahren humanitäre Hilfe in Afghanistan. Wie kam das?

Ich war seit 1980 Militärarzt. Als ich meine Approbation erhalten hatte, wollte ich in die Welt hinaus. Über den Bericht eines UN-Menschenrechtsbeauftragten habe ich dann von der Situation in Afghanistan erfahren. Dort herrschte Krieg gegen die Sowjets, und viele afghanische Ärzte waren geflohen. So ließ ich mich unbezahlt beurlauben, um als Arzt einer Hilfsorganisation im Kriegsgebiet zu arbeiten. Das war gefährlich. Die Sowjets drohten, jeden Helfer zu erschießen, den sie erwischen.

Wie reagierte Ihre Familie?

Ich konnte sie überzeugen, dass es Sinn macht, für längere Zeit in Afghanistan zu arbeiten. Der sowjetisch-afghanische Krieg kostete 1,5 Millionen Menschen das Leben. 1986 brachen wir unsere Zelte in Deutschland ab und zogen mit unseren Kindern ins pakistanische Peschawar. In der Grenzstadt lebten rund vier Millionen afghanische Flüchtlinge. Unter ihnen konnte ich Ärzte rekrutieren, und wir unternahmen dann illegale Trips nach Afghanistan, um die Menschen dort medizinisch zu versorgen. Meine Frau baute derweil mit Spendengeldern eine Schule für Flüchtlingskinder auf.

Mit dem Abzug der internationalen Truppen 2021 haben auch die NGOs das Land verlassen. Warum?

Aus Angst vor den Taliban. 800 Hilfsorganisationen sind 2002 reingegangen. Jetzt sind wir die einzige vor Ort. Aber wenn man sich nicht mit den Taliban anlegt, hat man nichts zu befürchten.

Wie gelingt es Ihnen, Mädchen zu unterrichten? Die Taliban verbieten ihnen doch den Schulbesuch...

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Das ist falsch. In den Schulen der Kinderhilfe werden Mädchen bis zur 7. Klasse unterrichtet, auch von Lehrerinnen. Allerdings dürfen sie kein Abitur machen. Das ist derzeit ein großes Thema im afghanischen Fernsehen, das erstaunlich offen diskutiert wird. Ich kämpfe dafür, dass Mädchen Abitur machen und zumindest Medizin studieren dürfen.

Wie argumentieren Sie?

Ich sage den Entscheidungsträgern, dass sich ihre Ehefrauen und Töchter im Krankheitsfall von Männern untersuchen lassen müssen, wenn es keine Ärztinnen gibt. Ich frage: Wollt ihr das? Dass sie sich vor einem Mann entkleiden? Inzwischen dürfen die Mädchen in unseren Schulen am PC ausgebildet werden und Englisch lernen.

Wie ist die Lage von Frauen aktuell in Afghanistan?

Die Situation heute ist nicht vergleichbar mit der ersten Taliban-Herrschaft von 1996 bis 2001. Natürlich gibt es Repressionen. Aber Frauen werden nicht misshandelt, wenn sie gegen die Kleiderordnung verstoßen. Sie tragen auch keine Burka. Die Situation ist in etwa so wie bei uns vor 60 Jahren. Meine Schwester zum Beispiel war viel gescheiter als ich. Trotzdem durfte sie kein Abitur machen.

Nach 20 Jahren westlicher Intervention haben die Taliban jetzt erneut das Sagen. War der Feldzug des Westens sinnlos?

Ich habe diesen Krieg von Anfang an für falsch gehalten. Noch keiner Macht ist es gelungen, einen Krieg gegen Afghanistan zu gewinnen. Obendrein waren die Terroristen vom 11. September Araber, keine Afghanen. Aber gegen die Länder, aus denen sie kommen, führen wir keinen Krieg. Pakistan, wo sich Osama Bin Laden später versteckt hielt, war der engste Bündnispartner der USA.

Während der Nato-Präsenz gab es immerhin afghanische Frauen in Führungspositionen, Richterinnen, Polizeichefinnen...

Die gab es nur in der Großstadt Kabul. Aber 85 Prozent der Afghanen leben auf dem Land. Sie bilden auch keine homogene Nation. Man muss sich das Land eher wie Europa vorstellen: 30 verschiedene Völker mit 30 Sprachen und Arten zu leben, gibt es dort. Der Westen ist ohne jede Kultur- und Sprachkompetenz da reingegangen.

Warum engagieren Sie sich noch immer?

Der Westen hat viel Unheil angerichtet. Von 2001 bis 2021 kamen etwa 150 000 afghanische Zivilisten ums Leben, darunter zahlreiche Kinder, die aus der Luft von US-Streitkräften getötet wurden. Sogenannte Kollateralschäden! Seitdem sich die Nato unkoordiniert davongemacht hat, interessiert sich kaum einer mehr für das Land. Dabei brauchen die Menschen dringend Hilfe. Nahrung, medizinische Versorgung und Bildung oder zumindest das, was man in Afghanistan unter Bildung versteht. Ich versuche, mit meiner Arbeit zumindest zu einem kleinen Teil wieder etwas gut zu machen.

Der Vortrag beginnt um 19 Uhr im Pfarrheim, Kolpingstraße 22. Er findet auf Einladung des Gymnasiums Tegernsee statt, wo Erös zu Schülern spricht. Der Eintritt ist frei, Spenden sind erbeten.

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Source: merkur

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