Christine Lagarde
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Die Wirtschaft im Euro-Raum muss aus Sicht von EZB-Präsidentin Christine Lagarde noch länger mit geldpolitischen und fiskalischen Hilfen gestützt werden. Man denke an einen Patienten, der aus einer schweren Krise komme, aber immer noch auf zwei Krücken angewiesen sei, sagte die Notenbankchefin auf einer Online-Veranstaltung der Nachrichtenagentur Reuters. »Man will keine der Krücken entfernen, die fiskalische oder die geldpolitische, bis der Patient wirklich gut laufen kann«, sagte sie. Und das bedeute Unterstützung bis in die Erholungsphase hinein.
Die Coronakrise halte immer noch an, sagte die Notenbank-Chefin. »Die meisten Länder in Europa durchleben eine dritte Welle. Wir werden immer noch überflutet von Unsicherheit.« Die Notenbank werde weiter dafür sorgen, dass günstige Finanzierungsbedingungen für die Wirtschaft bewahrt werden. Das sei wichtig, damit sich die Konjunktur erholen könne und zudem die EZB ihr Preisstabilitätsziel erfülle. Das Ziel einer Inflation von knapp unter zwei Prozent sei längst nicht erreicht, sagte Lagarde. Im März lag die Teuerungsrate im Euroraum bei 1,3 Prozent.
Einige Ratsmitglieder der Europäischen Zentralbank (EZB) hatten zuletzt bereits über ein mögliches Herunterfahren der umfangreichen Notfallanleihenkäufe der Notenbank ab dem dritten Quartal nachgedacht, sollte die Wirtschaft im zweiten Halbjahr auf einen robusten Erholungskurs umschwenken. So hatte der niederländische Notenbankchef Klaas Knot die Möglichkeit ins Auge gefasst, dass die EZB dann ab dem dritten Quartal langsam beginnen könne, ihre Anleihenkäufe des PEPP-Programms auslaufen zu lassen.
Niedrigere Wachstumsprognose für Deutschland
Unterdessen haben führenden Forschungsinstitute offenbar ihre Prognose für das Wachstum der deutschen Wirtschaft deutlich gesenkt. Sie rechnen für das laufende Jahr nur noch mit einem Anstieg des Bruttoinlandsproduktes (BIP) von 3,7 Prozent, sagten Insider der Nachrichtenagentur Reuters. Im vergangenen Herbst waren die Experten noch von 4,7 Prozent ausgegangen. Nun aber dürfte Europas größte Volkswirtschaft wegen der anhaltenden Coronabeschränkungen schwächer als erwartet ins Jahr gestartet sein.
Die Pandemie verzögere den Aufschwung, heißt es in dem Gutachten, aus dem neuen Reuters zitiert. Für 2022 sei die Prognose dagegen von 2,7 auf 3,9 Prozent angehoben worden. Privater Konsum solle dann das Wachstum anschieben. Im vergangenen Jahr war das deutsche BIP wegen der Corona-Krise um 4,9 Prozent eingebrochen.
Die Gemeinschaftsdiagnose soll am Donnerstag offiziell vorgestellt werden. Sie dient der Bundesregierung als Basis für ihre eigenen Projektionen, die wiederum die Grundlage für die Steuerschätzung bilden. Erarbeitet wird das Gutachten federführend vom RWI in Essen, vom DIW in Berlin, vom Ifo-Institut in München, vom IfW in Kiel und vom IWH in Halle.
ssu/Reuters