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Corona und Johnson & Johnson: Wie es zur Impf

2021-04-13T17:16:53.534Z


Mehrere Frauen in den USA haben nach der Johnson & Johnson-Impfung Blutgerinnsel im Hirn entwickelt. Die Probleme ähneln den in Europa nach AstraZeneca-Impfungen gemeldeten Fällen. Was bislang bekannt ist.


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Johnson & Johnson-Impfstoff: 6,8 Millionen Dosen wurden in den USA schon verabreicht

Foto: Michael M. Santiago / Getty Images

Eigentlich sollten die Impfungen mit dem Mittel des US-Herstellers Johnson & Johnson im April auch in der EU losgehen. Die ersten Lieferungen des vierten zugelassenen Coronaimpfstoffs waren für die kommende Woche geplant. Doch nun hat der Hersteller seine Auslieferungen an Europa verschoben. Grund dafür sind sehr seltene Nebenwirkungen, die nun untersucht werden sollen.

Warum haben die USA den Einsatz von Johnson & Johnson vorübergehend gestoppt?

Die US-Gesundheitsbehörde CDC und die Arzneimittelbehörde FDA haben am Dienstag empfohlen, die Impfungen mit dem Mittel von Johnson & Johnson vorübergehend auszusetzen. Sie wollen Fälle von sogenannten Sinusvenenthrombosen prüfen, die im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung aufgetreten sind.

Einer gemeinsamen Stellungnahme der Behörden zufolge werden sechs Fälle untersucht, bei denen zwischen sechs und 13 Tage nach der Impfung Blutgerinnsel in den Hirnvenen aufgetreten waren. Zusätzlich sei eine Thrombozytopenie, also ein Mangel an Blutplättchen, gemeldet worden. Betroffen seien Frauen im Alter zwischen 18 und 48 Jahren.

»Im Moment scheint es, dass diese Vorfälle extrem selten zu sein scheinen«, heißt es in der Stellungnahme. Die Sicherheit der Covid-19-Impfstoffe habe für die Regierung eine sehr hohe Priorität. Man nehme alle Meldungen von gesundheitlichen Problemen sehr ernst. Die US-Behörden rechnen damit, dass die Zahl der gemeldeten Fälle in den nächsten Tagen noch ansteigen könnte.

Bislang sind in den USA mehr als 6,8 Millionen Dosen des Impfstoffes verabreicht worden. Er wurde Ende Februar in den USA zugelassen, Mitte März ließ ihn die EU-Arzneimittelbehörde Ema auch für die Europäische Union zu, dort wird er jedoch bislang noch nicht eingesetzt. Von Johnson & Johnson ist nur eine Dosis für den vollen Schutz vor Covid-19 notwendig.

Auch die Ema teilte am Freitag mit, die Thrombose-Fälle bei Johnson & Johnson prüfen zu wollen. Die Behörde hatte betont, dass ein Zusammenhang mit dem Impfstoff des US-Herstellers noch nicht festgestellt worden sei.

Wie geht es in den USA weiter?

Für Mittwoch haben die US-Behörden das unabhängige Advisory Committee on Immunization Practices (ACIP) einberufen – vergleichbar mit der Ständigen Impfkommission (Stiko) in Deutschland –, um die beobachteten Fälle und deren Bedeutung zu bewerten. Die Analyse des Komitees wird anschließend an die US-Arzneimittelbehörde FDA übergeben. Die Impfungen sollen pausieren, bis dieser Prozess abgeschlossen ist.

Denkbar ist beispielsweise, dass die Impfungen anschließend wieder aufgenommen werden, Geimpfte aber über die möglichen Nebenwirkungen aufgeklärt werden müssen. Die Behörden begründen den Impfstopp unter anderem damit, dass sichergestellt werden müsse, dass alle im Gesundheitswesen über die möglichen, seltenen Nebenwirkungen und deren Behandlung informiert seien. Ähnlich war es auch beim vorübergehenden Impfstopp mit AstraZeneca. Die Impfungen wurden wieder aufgenommen, als im Beipackzettel des Mittels ein Hinweis auf ein mögliches Risiko ergänzt wurde und Patienten seither darüber aufgeklärt werden.

Die europäische Arzneimittelbehörde Ema war – allerdings im Zusammenhang mit der Vakzine von AstraZeneca – zum Schluss gekommen, dass der Nutzen des Mittels das Risiko trotz der möglichen, schwerwiegenden Nebenwirkungen weiterhin übertrifft.

Bislang ist die Zahl der gemeldeten Sinusvenenthrombosen nach der Johnson & Johnson-Impfung in den USA deutlich niedriger als nach der AstraZeneca-Impfung in Europa. Allein in Deutschland wurden bis zum 2. April 42 Fälle einer zentralen Sinusvenenthrombose nach Impfung mit dem AstraZeneca-Impfstoff gemeldet. In 23 Fällen ging das einher mit einem Blutplättchenmangel – bei knapp drei Millionen verabreichten Dosen.

Was bedeuten die Vorfälle für die Impfkampagne in Deutschland?

Der Johnson & Johnson-Impfstoff ist zwar bereits seit Mitte März in der EU zugelassen, bislang aber noch nicht im Einsatz. Das Bundesgesundheitsministerium rechnete in seinen Lieferprognosen jedoch mit 10,1 Millionen Dosen des Impfstoffes allein für das zweite Quartal. Bis Ende 2021 sollten insgesamt 36,7 Dosen geliefert werden.

Da beim Johnson & Johnson-Impfstoff – im Unterschied zu den anderen bislang zugelassenen Covid-19-Vakzinen – nur eine Spritze notwendig ist, steht jede Dosis in diesem Fall für einen vollständig geimpften Menschen.

Eigentlich hätte Johnson & Johnson am Montag mit der Lieferung in die EU-Staaten begonnen. Das Unternehmen kündigte jedoch an, die Lieferungen und damit die Markteinführung in Europa aufgrund der laufenden Untersuchungen zu verschieben.

Was sind mögliche Erklärungen für einen Zusammenhang zwischen den Impfstoffen und den Nebenwirkungen?

Sinusvenenthrombosen im Zusammenhang mit einer Thrombozytopenie, einem Blutplättchenmangel, wurden bereits nach der Gabe des Covid-19-Impfstoffs von AstraZeneca, Vaxzevria, beobachtet. Ein ursächlicher Zusammenhang sei plausibel, schreibt das für Impfstoffsicherheit zuständige Paul-Ehrlich-Institut. Das gleichzeitige Auftreten des Blutplättchenmangels und der Gerinnsel ist auffällig.

Bereits zwei Forschungsgruppen haben erste Studien dazu veröffentlicht, warum betroffene Geimpfte die schweren Probleme entwickelten. Die Teams aus Deutschland und Norwegen entdeckten denselben zugrundeliegenden Mechanismus: Im Blut der Patientinnen und Patienten fanden sich größere Mengen von Antikörpern, die die Blutplättchen angreifen. In ihrem Körper fand also eine Autoimmunreaktion statt, bei der das Immunsystem körpereigene Strukturen attackiert.

Durch den Angriff der Antikörper werden die Blutplättchen aktiv und verklumpen, wie sie es auch tun würden, um eine Wunde zu verschließen. Infolgedessen bilden sich Gerinnsel – und die Zahl der freien Blutplättchen im Blut sinkt, es entsteht also der beobachtete Mangel.

Das Phänomen ähnelt einer bekannten, seltenen Nebenwirkung des Gerinnungshemmers Heparin. Sehr wenige Menschen, die Heparin gespritzt bekommen, entwickeln ebenfalls Auto-Antikörper, die die Blutplättchen aktivieren, sodass Betroffenen einen Mangel und Blutgerinnsel entwickeln.

Und ebenso wie bei der Heparingabe entstehen die gefährlichen Komplikationen weder unmittelbar noch mit großer Verzögerung – sondern im Bereich von etwa 4 bis 16 Tagen nach der Impfung.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schlagen in ihren Veröffentlichungen im Fachblatt »NEJM« vor, das Phänomen Vaccine-induced immune thrombotic thrombocytopenia (VITT) zu nennen, also durch Impfstoff ausgelöster, Immun-Bluttplättchenmangel mit Gerinnselbildung.

Bislang ist unklar, auf welchem Weg die Impfung den Angriff der Antikörper auf die Blutplättchen in Gang setzt.

Fast alle gesunden Erwachsenen hätten Antikörper produzierende Immunzellen, die auf Komplexe von Heparin und dem Plättchenfaktor 4 ansprechen, einem Protein auf der Blutplättchenoberfläche, schreibt das norwegische Forschungsteam um Pal Holme von der Uniklinik Oslo. Aber die Produktion dieser Antikörper werde normalerweise durch regulierende Mechanismen gedrosselt. Setzt die Impfung, die eine starke Immunreaktion auslöst, möglicherweise bei sehr wenigen Menschen diese Kontrolle zeitweise außer Kraft?

Eine weitere Hypothese nennt das Team um Andreas Greinacher von der Uniklinik Greifswald. Denkbar ist demnach, dass freie DNA, also Erbgutmaterial, aus dem Impfstoff die Antikörper aktiviert. Gegenüber »Science« erklärte Greinacher, dass in einer Impfdosis mit ihren Milliarden Viruspartikeln einige zerbrechen könnten und so ihre DNA freisetzten. Ähnlich wie Heparin könnte die freie DNA Komplexe mit dem Plättchenfaktor 4 bilden – und so bei sehr wenigen Geimpften das Entstehen der Autoantikörper in Gang setzen.

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Dies sind allerdings bislang nur Hypothesen. Ob diese Mechanismen ebenso bei den nun gemeldeten Fällen in den USA nach Impfungen mit dem Covid-19-Impfstoff von Johnson & Johnson eine Rolle spielen, ist deshalb zu diesem Zeitpunkt höchst spekulativ – muss aber schnell untersucht werden. Ein Vertreter der US-Arzneimittelbehörde FDA sagte am Dienstag mit Blick auf die jetzt in den USA gemeldeten Fälle nach Johnson & Johnson-Impfungen, dass diese den bei AstraZeneca beobachteten Problemen sehr ähnelten.

Falls sich die Idee von Greinacher bewahrheiten sollte, dass freie DNA die Probleme auslösen kann, wäre es allerdings plausibel, dass die seltene Nebenwirkung nicht nur den Vektorimpfstoff von AstraZeneca betreffen könnte, sondern weitere Vektorimpfstoffe. Dazu zählt neben dem Präparat von Johnson & Johnson beispielsweise auch Sputnik.

Was ist mit den mRNA-Impfstoffen von Biontech und Moderna?

Bislang gibt es keine Hinweise, dass die mRNA-Impfstoffe von Biontech und Moderna ähnliche Nebenwirkungen haben könnten wie die Vektorimpfstoffe von AstraZeneca und Johnson & Johnson. Wer einen Termin mit einer der beiden Vakzinen habe, solle ihn weiterhin wahrnehmen, sagte auch Anne Schuchat, stellvertretende Direktorin der US-Gesundheitsbehörden CDC.

Source: spiegel

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