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Klimakrise: Droht der Menschheit Atemnot?

2021-04-15T10:47:17.024Z


Sauerstoff ist lebenswichtig. Wälder produzieren ihn, sind aber stark bedroht. Die Auswirkungen auf das Lebenselixier von Mensch und Tier ist erstaunlich gering – ein anderes Problem umso gravierender.


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Foto: Fabio Formaggio / EyeEm / Getty Images

»Die grüne Lunge steht in Flammen!« Solche Schlagzeilen sind typisch, wenn es im Amazonaswald mal wieder brennt. Oft folgt der Hinweis, dort würden 20 Prozent des Sauerstoffs der Erde entstehen – wie in einem Tweet des französischen Präsidenten Macron im Zusammenhang mit den verheerenden Bränden im Jahre 2019. Man könnte meinen, ohne Wald ginge uns die Atemluft aus. Viele Laien glauben das auch.

Dabei ist schon die Metapher von der Lunge schräg: schließlich handelt es sich bei der Lunge um ein Organ, dass der Luft Sauerstoff entzieht – und keineswegs welchen produziert.

Doch brauchen wir die Wälder überhaupt für den Sauerstoff-Nachschub? Klar ist, dass Pflanzen mittels Fotosynthese Sauerstoff erzeugen. Die Fotosynthese reißt die Kohlenstoff- und Sauerstoffatome von Kohlendioxid auseinander (wozu Sonnenenergie benötigt wird). Aus dem Kohlenstoff wird Biomasse aufgebaut, der Sauerstoff landet in der Luft.

Dennoch erzeugt ein ausgewachsener Wald im Gleichgewicht so gut wie keinen Sauerstoff, weil gleich viel abgestorbene Biomasse (zum Beispiel welke Blätter oder abgestorbene Äste) wieder verrottet (und dabei Sauerstoff verbraucht) wie neu wächst. Ein dauerhafter Zuwachs von Sauerstoff in der Atmosphäre entsteht nur dann, wenn man Biomasse am Verrotten oder gefressen werden hindert und langfristig und sicher einlagert.

Genau das geschieht im Meer: Dort wachsen auch Pflanzen und betreiben Fotosynthese. Sterben etwa Teile von Plankton ab, sinken auf den Meeresboden und lagern sich unter sauerstoffarmen Bedingungen in Sedimenten ab, ohne zersetzt zu werden. So ist auch der Sauerstoff in unserer Luft im Laufe der Erdgeschichte entstanden.

Einst war Sauerstoff tödlich

Dass derzeit einundzwanzig Prozent unserer Luft aus Sauerstoffmolekülen besteht, ist also eine Folge von Lebensformen, die die Sonnenenergie für sich zu nutzen verstehen und Sauerstoff als Abfall produzieren. Astrobiologen, die auf fernen Planeten nach Leben suchen, analysieren daher die Strahlung von diesen Planeten auf Hinweise von Sauerstoffmolekülen.

Das Leben auf der Erde ist heute auf die sauerstoffreiche Atmosphäre eingestellt. Das war nicht immer so: Vor gut zwei Milliarden Jahren kam es zu einer Revolution von planetarem Ausmaß – manche sagen auch Sauerstoffkatastrophe dazu. Freier Sauerstoff sammelte sich in der Atmosphäre an, und verursachte ein verheerendes Artensterben, denn für die meisten damals vorhandenen Organismen war Sauerstoff tödlich.

Aber zurück zur Ausgangsfrage: Was wären wir ohne den Wald? Machen wir dazu eine Überschlagsrechnung. Selbst wenn wir den gesamten Amazonaswald verbrennen würden, würden dabei nur rund 300 Milliarden Tonnen Sauerstoff verbraucht – das sind kaum mehr als 0,2 Promille des vorhandenen Luftsauerstoffs.

Es würden aber rund 400 Milliarden Tonnen CO₂ freigesetzt, was der gesamten globalen CO₂-Emission von zehn Jahren entspricht und die Erderhitzung schon allein um 1,5 °C hochtreiben würde. Es gibt also gute Gründe, den Amazonaswald zu schützen – aber drohender Sauerstoffmangel gehört nicht dazu. Der Wald ist wichtig für die Artenvielfalt und ein wichtiger Kohlenstoffspeicher. Kohlenstoff, der im Holz oder Boden ist, ist nicht in der Luft.

Eine aktuelle Bilanzierung zeigt: tatsächlich nimmt der Sauerstoffgehalt der Atmosphäre jährlich um rund 20 Milliarden Tonnen ab. Grund dafür ist hauptsächlich die Verbrennung fossiler Energieträger, denn auch sie verbraucht Sauerstoff. Dass der Sauerstoffgehalt sinkt, während der CO₂-Gehalt der Atmosphäre parallel wächst, ist einmal mehr ein Beleg dafür, dass der hohe Ausstoß von Klimagasen nicht etwa aus natürlichen Quellen wie Ozeanen oder Vulkanen stammt.

Uns Menschen droht zwar keine Atemnot durch Sauerstoffmangel. Aber zu viel CO₂ in der Atemluft tut uns auch nicht gut. Das kennt jeder, der lange mit vielen anderen in einem schlecht belüfteten Raum verbracht hat. Die Luft wird stickig. Bereits jetzt erfordert dies längeres Lüften zum Beispiel von Klassenzimmern, um eine für die Konzentration der Schüler gute Luftqualität zu erhalten.

Sauerstoffmangel ist heute trotzdem schon ein ernstes Problem: allerdings nicht für das Leben an Land, sondern in den Weltmeeren. Dort breiten sich sauerstoffarme "Todeszonen« immer weiter aus. »Dem Ozean geht die Luft aus«, wie das Wissenschaftsmagazin Spektrum titelte. Ursachen dafür sind die globale Erwärmung, die Überdüngung der Meere durch Düngereintrag über Flüsse, und die CO₂-bedingte Meeresversauerung. Wenn Fische in diese Todeszonen schwimmen, kommen sie um.

Source: spiegel

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