Das Robert-Koch-Institut sagte einen alarmierenden Inzidenzwert für die Zeit nach Ostern voraus, eingetroffen ist dieser nicht. Welche Hintergründe hat das? Merkur.de hat nachgefragt.
Berlin/München - Das Leben inmitten der Coronavirus-Pandemie ist geprägt von Einschränkungen, einem zweiten, sich scheinbar endlos ziehenden Lockdown und Prognosen von Experten. Die Corona-Fallzahlen und die Inzidenz in Deutschland befinden sich auf ansteigenden Niveau. Doch eine vom Robert-Koch-Institut getätigte Inzidenz-Modellierung ist nicht eingetreten. Warum?
Coronavirus in Deutschland: RKI modellierte extrem hohe Inzidenz - doch es trat gar nicht ein
Die Zeit um einige Wochen zurückgedreht, blicken wir auf die Prognose des RKI für den Zeitraum nach den Osterfeiertagen. In dem „Bericht zu Virusvarianten von SARS-CoV-2 in Deutschland“, der vom 31. März stammt, wurden alarmierende Zahlen modelliert. Wie einer Grafik zu entnehmen war, rechnete das Berliner Institut bereits nach den Osterfeiertagen mit einem 7-Tages-Inzidenzwert von über 300. Ein Hintergrund: Die britische Corona-Mutation B.1.1.7, die - wie RKI-Daten zu entnehmen ist - in Deutschland die dominierende Sars-CoV-2-Variante ist.
Wörtlich hieß es in dem Bericht: „Das ist besorgniserregend, weil B.1.1.7 nach bisherigen Erkenntnissen ansteckender als andere Varianten ist. [...] Auf Grund der großen Verbreitung und der erhöhten Übertragbarkeit dieser Varianten muss weiterhin eine stark steigende Inzidenz von Covid-19-Fällen in Deutschland angenommen werden.“ Zuvor schrieb das RKI in dem aktuellen Corona-Lagebericht vom 26. März: „Die Exploration der Trends zeigt, dass mit Fallzahlen über dem Niveau von Weihnachten ab KW (Kalenderwoche, Anm. d. Red) 14 zu rechnen ist“.
Rund um Weihnachten erreichte Deutschland einen Höchstwert an Infektionen. Am 18. Dezember meldete das RKI 33.777 Infektionen innerhalb eines Tages. Am 31. Dezember wurde ein Plus von 32.552 Fällen verzeichnet. Hinzuzufügen sei: In dieser Zeit spielten Nachmeldungen eine große Bedeutung. So wurden am 18. Dezember knapp 3500 nachgemeldete Corona-Fälle vom Vortrag aus Baden-Württemberg miteingerechnet. Auch am 31. Dezember warnte das Institut, dass es durch die Feiertage zu ungenauen Daten kommen könnte.
Coronavirus in Deutschland: Nicht eingetretene Prognose des RKI - die Hintergründe
Was steckt aber hinter der nicht eingetretenen Prognose hinsichtlich Ostern? Die Inzidenz reichte nach den Feiertagen nicht annähernd an den 300er-Wert heran, sank sogar bis auf einen Wert von 105,7 (siehe Tabelle, Wert vom 8. April 2021). Die Fallzahlen sind hoch, aber liegen nicht auf dem Niveau wie um Weihnachten.
Tag | 7-Tage-Inzidenz | Corona-Neuinfektionen |
Dienstag, 6. April 2021 | 123,0 | 6.885 |
Mittwoch, 7. April 2021 | 110,1 | 9677 |
Donnerstag, 8. April 2021 | 105,7 | 20.407 |
Freitag, 9. April 2021 | 110,4 | 25.464 |
Samstag, 10. April 2021 | 120,6 | 24.097 |
Sonntag, 11. April 2021 | 129,2 | 17.855 |
Montag, 12. April 2021 | 136,4 | 13.245 |
Dienstag, 13. April 2021 | 140,9 | 10.810 |
Quelle: Robert-Koch-Institut
Auf dem RKI-Dashboard weist das Institut auf verzögerte Tests hin. Rund um die Osterfeiertage und -ferien sei zu beachten, dass weniger Menschen einen Arzt aufsuchen würden. Hierdurch würden weniger Proben genommen und weniger Laboruntersuchungen durchgeführt werden. „Dies führt dazu, dass weniger Erregernachweise an die zuständigen Gesundheitsämter gemeldet werden“, heißt es weiter.
Coronavirus: RKI sagte Mega-Inzidenz voraus - und hat nur unklare Antwort parat
Gegenüber Merkur.de startete das RKI nun einen weiteren Erklärungsversuch, und gesteht: „In der letzten Wochen (Kalenderwoche 14, Anm. d. Red) war es uns auch nicht möglich zu entscheiden, ob sich der Anstieg real abgeschwächt hat oder die 7-Tage-Inzidenz aufgrund von weniger durchgeführten Tests die reale Entwicklung unterschätzt hat. So wäre es auch möglich, „dass es durch die Osterfeiertage einen kurzen Aufschub des ansteigenden Trends gab und sich dieser in der Folge doch weiter fortsetzt“, hieß es weiter.
Das RKI betonte gegenüber Merkur.de jedoch auch, dass es bei den jeweiligen Modellierungen nicht um Prognosen handeln würde, „sondern um eine Berechnung, wie der Verlauf vorzuschreiben wäre unter den für das Modell gemachten Annahmen“.
Einer Recherche von Zeit.de zufolge, meldeten über die Osterfeiertage nur rund die Hälfte aller Gesundheitsämter aktuelle Fallzahlen. Virologe Martin Stürmer sprach im Morgenmagazin von ARD und ZDF von einer sogenannten „Osterverzerrung“. Demnach seien mit Nachmeldungen zu rechnen. RKI-Präsident Lothar Wieler rechnet ab Mitte der Woche wieder mit verlässlicheren Daten zur Pandemie.
Nicht zuletzt geht Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) davon aus, dass die verschärfte Infektionslage in Deutschland noch bis Juni andauern könnte. Eine Änderung des Infektionsschutz gesetzt wurde am Mittwoch beschlossen. (mbr)