Duell I
Nach dem Sturm die Ruhe, die Ruhe vor dem Sturm: Es sind mal wieder Tage, an denen Armin Laschet nachdenkt, diesmal über eine Brücke, die ihn zur Kanzlerkandidatur führt. Noch in dieser Woche soll die Frage bei der Union geklärt werden, doch wann und wie, darüber herrscht in beiden Lagern noch Unklarheit.
Bis zum finalen Showdown, so lautet wohl die Verabredung, sollen die Duellanten innehalten, keine Interviews, keine Talkshowauftritte, seine Teilnahme bei »Maischberger« gestern Abend sagte Markus Söder kurzfristig ab, stattdessen warb Dorothee Bär für ihn, die Staatsministerin für Digitalisierung.
Kontrahenten Söder und Laschet
Foto: Michael Kappeler / picture alliance / dpaHinter den Kulissen aber wird telefoniert, sondiert und offenbar auch gedroht: In vielen Verbänden stehen die Listenaufstellungen für die Bundestagswahl an, nun spielt bisweilen auch die Frage eine Rolle, zu welchem Team man gehört. Es ist eine subtile Aggression in der Partei zu spüren, die ersten Schmutzeleien sind bereits tief eingedrungen. Die Spaltung, die am Dienstag in der Fraktion so offensichtlich wurde, wird bleiben, egal, wer am Ende der Spitzenkandidat wird. Das ist das bittere Ergebnis dieser Kandidatenkür.
Trotz des verabredeten Moratoriums wird Armin Laschet heute eine Rede halten, die Opposition im nordrhein-westfälischen Landtag zitiert ihn in eine Sondersitzung. Der Ministerpräsident soll die Coronapolitik der Landesregierung erklären, die die Grünen als »Zickzackkurs« kritisieren.
Laschet hat seiner Rede eine staatstragende Überschrift verpasst: »Verantwortung und Weitsicht: Der dritten Welle entschieden entgegentreten – die Brücke für mehr Perspektive bauen.«
Ob er dabei an seine persönliche Lage dachte?
Krise der Konservativen: »Eine wahnsinnig prekäre Situation«
Duell II
In der CDU gibt es noch einen Kampf, es geht um einen Platz im Deutschen Bundestag. Für den Hochsauerlandkreis sitzt seit 2009 der Jurist und Hochschulprofessor Patrick Sensburg im Parlament. Er hat sich als Innen-, Rechts- und Sicherheitspolitiker einen Namen gemacht und führte eine Zeit lang den NSA-Untersuchungsausschuss an, der sich mit der Überwachungspraxis der USA in Deutschland befasste.
Sensburg will sich nun auch für eine vierte Legislaturperiode bewerben, die Spitzenkandidatur wäre ein leichter Lauf ins Tor geworden, doch da grätschte jemand von der Seite rein: Friedrich Merz, der sich zweimal vergeblich um den Parteivorsitz bewarb, will zurück in den Bundestag. Und kämpft nun mit seinem Nachfolger um den Platz.
Sensburg als Vorsitzender des NSA-Untersuchungsausschusses
Foto: THOMAS PETER/ REUTERSSensburg, im Bekanntheitsgrad deutlich unterlegen, will dennoch kämpfen. Ihm kommt zugute, dass er die politischen Probleme der Region gut kennt, vom schleppenden Breitbandausbau bis zu Lücken im Straßenbau.
Friedrich Merz hingegen kann sich kaum eine dritte Niederlage leisten. Er punktet mit seiner Prominenz und seinem Profil.
Am kommenden Samstag entscheiden 480 Delegierte des Hochsauerlandkreises darüber, wer Direktkandidat für die CDU wird. Die beiden Bewerber haben sich kein Moratorium auferlegt. Sie nutzen die letzten Tage, um mit Interviews oder Briefen auf sich aufmerksam zu machen.
Rundmail an die Parteibasis: Merz mischt sich in K-Frage ein
Historischer Abzug
Es ist der verlustreichste Einsatz ihrer Geschichte, und auch ihr zweitlängster: Nach knapp 20 Jahren wird die Bundeswehr ihre 1100 Soldaten aus Afghanistan abziehen – als Folge des angekündigten Abzugs der US-Truppen. Washington hatte angekündigt, seine Mission bis zum 11. September zu beenden, dem Jahrestag der Terroranschläge von New York und Washington. Wie US-Präsident Joe Biden mitteilte, soll der Truppenabbau bereits am 1. Mai beginnen. Die Nato beschloss daraufhin gestern Abend einen gleichlautenden Plan für ihre Soldaten.
Bundeswehr-Soldatin in Afghanistan
Foto: Maurizio Gambarini/ dpaDamit endet vorerst eine Mission, die unter dem Leitmotiv »Kampf gegen den Terror« stand und nach 9/11 das Ziel hatte, die Anschläge zu rächen, Osama Bin Laden zu finden und eine ähnliche Tragödie für die Zukunft zu verhindern.
Experten für die Region bezweifeln allerdings, dass der Zeitpunkt des Rückzugs günstig ist. Sie fürchten, dass die Taliban die Macht kurz nach dem Truppenabzug übernehmen könnten. Der zarte Erfolg der vergangenen zwei Jahrzehnte, der jungen Demokratie Afghanistans ein stabiles Fundament zu geben, könnte mit einem Schlag zunichtegemacht werden.
Der bereits von Donald Trump angekündigte Rückzug hat auch noch die Sorge genährt, die US-Einheiten in Deutschland würden alsbald rückgebaut. Gerade für Einsätze im Nahen und Mittleren Osten gelten die hiesigen US-Kasernen als wichtige Ausgangs- und Versorgungsbasis der Amerikaner. Trump hatte bereit angekündigt, 12.000 der rund 35.000 US-Soldaten in Deutschland zurückzuholen – als Strafaktion für die aus seiner Sicht mangelnden deutschen Militärausgaben.
Der neue Präsident wischte diese Sorge nun vom Tisch. Stattdessen kündigte er an, 500 zusätzliche Soldaten nach Deutschland zu schicken. Es ist auch ein Zeichen gegen den bedrohlichen Truppenaufmarsch des russischen Militärs an der Grenze zur Ukraine. Mit Joe Biden weht nun wieder ein leichter Wind des Kalten Krieges über Europa.
Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer und ihr umstrittener Berater: »Management by Jeans – an den entscheidenden Stellen Nieten«
Gewinner des Tages…
Spahn im Plenarsaal im Bundestag
Foto: Christian Spicker / imago images/Christian Spicker...ist unser gestriger Verlierer des Tages: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Nach der Hiobsbotschaft einer Lieferverzögerung von Johnson & Johnson wegen Thrombosefällen bei frisch Geimpften, kündigte die EU-Kommission jetzt an, außerplanmäßig 50 Millionen Impfdosen von Biontech zu bekommen. Gerecht verteilt, bekäme Deutschland davon neun Millionen ab. Eine Zahl, die Spahn Erleichterung verschaffen dürfte. Denn noch immer gilt sein Ziel, im Sommer jedem Deutschen ein Impfangebot machen zu können. Es ist das Coronaversprechen dieser Bundesregierung. Sie kann es sich nicht leisten, es noch vor einer Bundestagswahl zu brechen.
Deshalb war gestern ein guter Tag für Jens Spahn.
EU-Kommission: Biontech liefert weitere 50 Millionen Impfdosen bis Ende Juni
Die jüngsten Meldungen aus der Nacht
Merkel und Biden fordern russischen Truppenabzug vor Ostukraine: Trotz Waffenruhe sind die Kämpfe in der Ostukraine wieder aufgeflammt. Die Bundeskanzlerin und der US-Präsident verlangen von Russland, die Truppen an der Grenze zur Ukraine abzuziehen – Moskau spricht von »Kampftraining«
Sturm auf das US-Kapitol – Keine Anklage gegen Polizisten nach tödlichem Schuss: Als Trump-Anhänger im Januar das US-Kapitol stürmten, schoss ein Polizist auf eine Frau – sie erlag später ihren Verletzungen. Eine Anklage nach Bundesrecht muss der Beamte laut Justizministerium nicht befürchten
Coinbase gibt fulminantes Debüt an der US-Börse: Die erste Plattform für Kryptowährungen, Coinbase geht an die US-Börse. Der Marktwert steigt zeitweise auf mehr als 100 Milliarden Dollar. Das Unternehmen wird nun höher gehandelt als jeder andere Börsenbetreiber
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Ich wünsche Ihnen einen guten Start in diesen Donnerstag!
Ihr Martin Knobbe