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Wer rettet scheintoten Atom-Deal mit Iran? Experte: EU-Staaten auf China und Russland angewiesen

2021-04-15T13:10:54.627Z


Heute gehen die Verhandlungen in Wien zur Rettung des Atom-Deals mit Iran weiter. Die Spannungen sind nach der Explosion in der Atomanlage von Natans gestiegen. Der Westen braucht China und Russland.


Heute gehen die Verhandlungen in Wien zur Rettung des Atom-Deals mit Iran weiter. Die Spannungen sind nach der Explosion in der Atomanlage von Natans gestiegen. Der Westen braucht China und Russland.

Wien/München - In Wien verhandeln deutsche Diplomaten ab Donnerstag wieder mit den anderen Unterzeichnerstaaten über die Rettung des scheintoten Iran-Atomdeals. Dabei dürften Europa und die im Abkommen als E3 bezeichneten Staaten Deutschland, Großbritannien und Frankreich stärker von ihren Rivalen China und Russland abhängig sein, als es ihnen lieb ist. „Sowohl Russland als auch China haben in Teheran viel mehr Einfluss und Glaubwürdigkeit als die E3 beziehungsweise die EU“, sagt Ali Vaez, Direktor Iran-Programm der Denkfabrik International Crisis Group, Merkur.de.

Es geht vor allem darum, wie ein Kompromiss zwischen Washington und Teheran bei der Rückkehr zu dem eigentlich einfachen Konzept des Abkommens gefunden werden kann: Iran beschränkt sich demnach auf ein rein ziviles Atomprogramm, dafür fallen die Sanktionen weg, die das Land wirtschaftlich lähmen. Das offiziell Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) betitelte Abkommen von 2015 gilt als ein wichtiger Baustein zur Rüstungskontrolle und wird auch von den Vereinten Nationen getragen. Doch 2018 verließen die USA unter großem Getöse das Abkommen, das der damalige Präsident Donald Trump als „schlechtesten Deal aller Zeiten“ bezeichnete. Trump verhängte sofort wieder Sanktionen - auch gegen Drittstaaten, die es wagen sollten, Geschäfte mit Iran zu machen.

Iran-Atomabkommen: USA möchten zurückkehren - China und Russland müssen Teheran überzeugen

Sein Nachfolger Joe Biden ist bereit für eine Rückkehr. Strittig ist dabei die Reihenfolge der nötigen Zugeständnisse sowie deren Verifikation. Wenn sich dabei niemand bewegt, passiert nichts. Und dabei kommen Moskau und Peking ins Spiel. Sie könnten aufgrund ihrer besseren Beziehungen zu Iran „eine wichtige Rolle dabei spielen, die iranische Führung davon zu überzeugen, mehr Flexibilität zu demonstrieren“, erwartet Vaez. Die USA dürfen auf Geheiß des iranischen Religionsführers Ayatollah Ali Khamenei erst gar nicht mitverhandeln - ihre Abgesandten sitzen tagsüber im Hotel Imperial gegenüber vom Verhandlungsort und werden erst am Ende jedes Gesprächstages informiert. Bei ihnen sind wohl die Europäer für die Überzeugungsarbeit zuständig.

Die Verhandlungen zeigen, dass man sich nicht immer aussuchen kann, mit wem man kooperiert. Die geopolitische Rivalität zwischen dem Westen auf der einen Seite sowie China und Russland auf der anderen spitzt sich gerade zu. Der Ton wird auf allen Seiten schärfer. Als wichtigstes Feld zur Zusammenarbeit Europas mit China gilt eigentlich der globale Klimaschutz. Doch auch bei Iran braucht der Westen die oft ungeliebten Partner - trotz der Konflikte um Menschenrechte, Technologie oder Handel. „Sie haben es in der Vergangenheit geschafft, die Iran-Frage von den Konflikten mit dem Westen zu trennen“, sagt Vaez mit Blick auf China und Russland. Dies funktioniere, „da sich alle über die entscheidende Bedeutung des JCPOA einig sind.“ Zugang schwieriger Partner zu Problemstaaten ist auch in anderen Fällen immer wieder gefragt - etwa im Atomstreit mit Nordkorea, in dem die USA China immer wieder dazu auffordern, seinen vergleichbar größeren Einfluss auf Machthaber Kim Jong-un geltend zu machen.

Iran: Explosion in Atomanlage Natans bedroht Erfolg der Verhandlungen über Atom-Deal

Mäßigung auf allen Seiten ist umso wichtiger, als der Vorfall in der iranischen Atomanlage Natans für neue Spannungen sorgt. Dort war es am Wochenende - nur Stunden nach der Inbetriebnahme 200 neuer, nach dem Atomabkommen verbotener Zentrifugen - zu einer kleineren Explosion im Stromverteilungszentrum gekommen. Teheran sieht darin einen „Terrorakt“ Israels. Iran macht Israel auch für den tödlichen Anschlag auf den hochrangigen Kernphysiker Mohsen Fachrisadeh im November 2020 verantwortlich. Israel und der Iran führen seit langem einen Schattenkrieg gegeneinander. Zuletzt beschuldigten sich die verfeindeten Staaten gegenseitig mehrerer Angriffe auf Schiffe. Nach dem Attentat auf Fachrisadeh habe Iran die Uran-Anreicherung erstmals über das erlaubte Maß von 3,67 Prozent erhöht, sagt Vaez - damals auf 20 Prozent. Und nun, nach dem Vorfall von Natans, will Iran Uran nun bis zu einem Reinheitsgrad von 60 Prozent anreichern.

Doch aus Sicht Teherans ist klar, dass die USA gegen den Vertag als erstes verstoßen haben. „Der Nuklearterrorismus in Natans hat eine gefährliche Spirale ausgelöst, die nur durch die Beendigung des US-Wirtschaftsterrorismus eingedämmt werden kann“, wetterte Irans Außenminister Mohammed Dschawad Sarif auf Twitter. Sarif bekräftigte jedoch, Teheran werde nicht zulassen, dass der Angriff die Wiener Gespräche beeinträchtige. Der Iran müsse es vermeiden, „in die von Israel gestellte Falle zu tappen.“ Vorbereitungen zur Herstellung von hochangereichertem Uran seien fast abgeschlossen, berichtete die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) am Mittwoch in Wien nach einer Inspektion der Anlage in Natans.

Die EU zeigte sich beunruhigt über mögliche Folgen für die Atom-Gespräche in Wien. „Wir weisen alle Versuche zurück, die laufenden diplomatischen Aktivitäten zu untergraben“, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Dienstes der EU. Der Vorfall, „bei dem es sich um einen Sabotageakt gehandelt haben könnte“, müsse gründlich aufgeklärt werden. Die Gespräche hätten einen „entscheidenden Punkt“ erreicht, sagte am Mittwoch der chinesische Außenamtssprecher Zhao Lijian. Oberste Priorität sei es, „das Atomabkommen schnell wieder aufs Gleis zu heben, um die legitimen Rechte und Interessen aller beteiligten Parteien zu gewährleisten.“ Zhao nannte Natans einen „Sabotageakt“ - ohne das Fragezeichen der EU.

Iran und China: Langfristige Kooperation verabredet

Chinas Interessen in der Region sind weit größer, als vielen bekannt ist. Außenminister Wang Yi hatte Ende März mit Sarif ein langfristiges Kooperationsabkommen unterzeichnet. Demnach wird China über 25 Jahre rund 400 Milliarden Dollar unter anderem in den iranischen Energie-, Verkehrs- und Bankensektor sowie Telekommunikationsbereich investieren. Im Gegenzug will Iran Erdöl zu günstigen Preisen liefern, wie die New York Times berichtet, der ein Entwurf des Abkommens vorlag. Auch mit Russland möchte Teheran nach iranischen Medienberichten ein solches Abkommen schließen. Beide Staaten brauchen für eine volle Umsetzung solcher Deals aber ein Ende der Sanktionen. Der Anreiz für chinesisch-russische Überredungskünste gegenüber Teheran ist also groß.

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Chinas Außenminister Wang Yi bei Irans Präsidenten Hassan Rohani: China hat in Teheran viel mehr Einfluss als die EU.

© IRANIAN PRESIDENT OFFICE HANDOUT/EPA

Denn da die USA die weltweiten Zahlungsströme kontrollieren, konnten die verbleibenden Vertragspartner des scheintoten Atom-Deals ihre Geschäfte mit Iran nicht fortsetzen. Das Iran-Geschäft der Europäer florierte aufgrund des Abkommens, doch nun liegen alle Geschäfte brach. Der EU-Versuch zur Gründung einer eigenen Gesellschaft namens Instex zur Verrechnung der Forderungen europäischer und iranischer Unternehmen scheiterte. Aber auch der Handel Chinas mit dem Iran leidet unter den Sanktionen. Der jährliche Handel zwischen beiden Staaten ist nach 2018 aufgrund der US-Sanktionen von zuvor über 50 Milliarden US-Dollar auf nur noch rund 20 Milliarden US-Dollar eingebrochen. Umgekehrt steckt Iran unter anderem wegen der US-Sanktionen in einer schweren Wirtschaftskrise.

Die Zeit drängt: Mitte Juni wird in Iran gewählt. Manche Beobachter erwarten, dass dann ein Hardliner den als gemäßigt geltenden Präsidenten Hassan Rohani ablöst, der nicht wieder antreten darf. Irans Hardliner waren stets gegen das Abkommen; ihr Misstrauen gegenüber dem „Großen Satan” USA sitzt tief. Der Deal müsste also vorher zum Leben erweckt werden. (ck/mit AFP)

Source: merkur

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