Stand: 17.01.2024, 16:04 Uhr
Von: Patrick Mayer
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Lange wurde gerätselt, wie es den Ukrainern gelingt, Russlands Truppen auf der Krim so effektiv anzugreifen. Jetzt soll die Antwort da sein.
Sewastopol – Es war eines der großen Rätsel im Ukraine-Krieg: Wie gelingt es den ukrainischen Kampfpiloten, über dem Schwarzen Meer so nahe an die Krim heranzufliegen und ihre Ziele mit einer derart gnadenlosen Präzision zu treffen? Ohne, dass diese Angriffe unterbunden werden?
Bericht aus der Ukraine: Drohne ermöglicht Treffer auf der Halbinsel Krim
Eine ebenfalls gnadenlose, aber militärisch zentrale Frage: Warum schaffen es die Russen mit ihrer Luftabwehr auf der Krim nicht, die ukrainischen Flugzeuge über dem Schwarzen Meer oder über dem Asowschen Meer vom Himmel zu holen, ehe diese ihre Marschflugkörper vom Typ Storm Shadow oder Scalp-EG abfeuern?
Während die Ukrainer jetzt auch Frontbomber Su-24M mit Storm Shadows ausrüsten können, ist dieses Rätsel nun wohl gelöst. Zumindest, geht es nach einem Medienbericht aus Kiew. Demnach ist für den erfolgreichen Angriff mit den Marschflugkörpern eine Radarköderdrohne maßgeblich.
US-Soldaten montieren eine Radarköderdrohne ADM-160 an einem Kampfjet. (Archivfoto) © IMAGO / piemags
ADM-160: Kiew setzt im Ukraine-Krieg Drohnen wohl kombiniert ein
Wie die Kyiv Post berichtet, geht es um den Einsatz des „Miniature Air Launched Decoy (MALD)“, in der Militärsprache meist als ADM-160 bezeichnet. Vereinfacht: Die Drohnen, die selbst wie kleinere Marschflugkörper aussehen, werden beim Angriff zeitgleich mit den Storm Shadows oder Scalp-EG verschossen und sollen offenbar die Luft-Boden-Lenkflugkörper der russischen Flugabwehr anlocken.
Kurzum: Die russische Rakete explodiert in der Drohne. Und nicht im Marschflugkörper. Denn: Wie der US-Think-Tank GlobalSecurity.org beschreibt, hat die ADM-160 ein sogenanntes „Signature Augmentation System (SAS)“ integriert. Dieses ist demnach in der Lage, den Radarquerschnitt der Drohne um ein Vielfaches zu erhöhen. Heißt: Die feindliche Flugabwehr wird in die Irre geführt, weil das Radar nicht weiß, wo in der abgebildeten Fläche sich das Ziel exakt befindet.
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Ukraine-Krieg: Überfordert die ADM-160 die russische Luftabwehr über der Krim?
Ferner kann die Radarköderdrohne ADM-160 wohl sogar das Radarprofil eines Kampfflugzeuges simulieren. Das Radar und die Luftabwehr denken also, dass ein ganzer Kampfjet herangeflogen kommt. So können die Ukrainer die Russen mit mehreren potenziellen Zielen vor Herausforderungen stellen. Berichte deuten zeitgleich darauf hin, dass die Truppen von Kremlchef Wladimir Putin auf der Krim insbesondere das Flugabwehrraketensystem S-300 P einsetzen.
Dieses hat in der Regel pro System vier Lenkwaffencontainer für vier große Flugabwehrraketen. Heißt: Maximal vier potenzielle Ziele können unter hohem Aufwand hintereinander oder parallel bekämpft werden. Die Marschflugkörper Storm Shadow (britisch) und die deckungsgleiche Scalp-EG (französisch) rauschen jedoch mit einer Geschwindigkeit von umgerechnet rund 987 km/h heran. Die Luftabwehr hat demnach schlicht keine Zeit für den Start mehrerer Flugabwehrraketen. So flankiert die ADM-160 die Cruise Missiles (Marschflugkörper) effektiv.
Selenskyj signiert einen Storm-Shadow-Marschflugkörper an einem ukrainischen Kampfjet (Archivfoto). © IMAGO / UPI Photo
Radarköderdrohne ADM-160: Kampfjets der Ukraine für Einsatz modifiziert
Bemerkenswert: Die Radarköderdrohne ist ursprünglich für den Einsatz mit Nato-Kampfjets der Typen F-16 und F-15 vorgesehen. Ergo, die MiG-29 und Su-24M der Ukraine werden nicht nur für den Abschuss der westlichen Marschflugkörper modifiziert, sondern auch für den parallelen Einsatz der ADM-160. Das macht die Ukraine, die selbst zum Beispiel Drohnen für große Granaten entwickelt haben, bei ihren Angriffen wesentlich flexibler.
Was Wirkung zeigt: Am 18. September haben die ukrainischen Luftstreitkräfte eigenen Angaben zufolge auf der Krim das U-Boot „Rostow am Don“ sowie das Landungsschiff „Minsk“ bei einem kombinierten Angriff mit britischen Storm Shadows und französischen Scalp-EG stark beschädigt. In sozialen Netzwerken kursierten Fotos, wonach das U-Boot angeblich nicht mehr einsatzfähig ist. Am 26. Dezember wurde bei einem Luftangriff auf die Krim-Hafenstadt Feodossija laut britischen Angaben ferner das russische Landungsschiff „Nowotscherkassk“ durch westliche Marschflugkörper zerstört.
Storm Shadows und Scalp-EG: Großbritannien und Frankreich erhöhen Militärhilfen für Kiew
Und: Es gibt wohl Nachschub aus London und aus Paris. Denn: Großbritannien hatte am 12. Januar ein neues Militärpaket über 2,5 Milliarden Pfund (rund 2,9 Milliarden Euro) für die Ukrainer verkündet. Am Dienstag (16. Januar) erklärte dann der französische Präsident Emmanuel Macron, sein Land werde weitere 40 Marschflugkörper Scalp-EG bereitstellen. (pm)